Künstlerstatement 2014

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In meinen Arbeiten – vorwiegend Malerei, Zeichnung und Collage - beschäftige ich mich mit Erinnerungen und verankere diese in neuen Bildrealitäten. Je mehr Zeit vergeht, umso mehr verändert sich Erinnerung, umso geringer ist ihre objektive Zuverlässigkeit. Es entstehen Täuschungen, die ich im Moment der Bildschöpfung als real empfinde. Die Kunsthistorikerin Heike Rosenbaum schreibt über meine Arbeiten (Katalog: Episodenrückblicke): „Die Erinnerungsbilder sind keineswegs homogene Gebilde, auf die jederzeit und in immer gleicher Weise zugegriffen werden kann. Sie vermischen sich mit einer von der jeweiligen psychischen Verfasstheit dominierten Wahrnehmung, entstehen gewissermaßen als Möglichkeitsbilder.“

Da ich sehr gerne seriell arbeite, entstehen meine Werkzyklen immer über einen längeren Zeitraum. Ich bezeichne diese Arbeitsweise auch als „Nachdenken durch Handeln“. Die Zeit ist mein ständiger Begleiter, das erste Werk ist der erste Gedanke, der durch weiteres Bearbeiten in weiteren Werken Veränderung erfährt. Einzelne Teile der Bilder löse ich oftmals aus ihrer ursprünglichen Umgebung heraus und schreibe sie einer anderen Welt ein. So auch in meiner aktuellen Serie „Er-inner-ung an luftleer“ (2014), deren Ursprünge auf die Arbeit „luftleer“ aus dem Jahr 2010 zurückgehen.
Die Kunsthistorikerin Christine Humpl schreibt über meinen Umgang mit der Dimension Zeit folgendes: „Die Zeit ist in Ruth Brauners Werken eine Variable, vielleicht in diesem Sinne: Das Jetzt war gestern und das Morgen ist heute. So ist in den Arbeiten der Künstlerin sogar ein Erinnern an die Gegenwart oder ein Erinnern an nicht Erinnertes („Er-inner-ung an nicht Erinnertes“, 2013, Nr. 16) möglich. Die Grenze zwischen den Zeiten ist fließend. In einem einzelnen Bild gibt es mehrere Zeitebenen.“ (Die Nummer bezieht sich auf den Katalog „außer dem“.)

In meiner Werkserie „Kunstgeschichte“ begebe mich in einen Dialog mit berühmten Porträts der Kunstgeschichte. Ein Wechselspiel zwischen Beobachten und Beobachtetwerden beginnt, Spiegelungen gewinnen an Bedeutung. Es fällt mir schwer, mich in längst vergangene Zeiten und in Ikonen der Kunstgeschichte wie Parmigianino und Velázquez hineinzufühlen. Ich gipse mich ein und beobachte, den durch eine Sonnenbrille in meiner Hand blickenden Parmigianino. Wahrnehmung und Identität werden wichtig. Die Vollendung meiner Arbeiten findet erst im Auge des Betrachters statt, denn wer genau hinschaut wird Teil meiner Bildrealitäten.
Ein abschließendes Zitat aus Heike Rosenbaums Text veranschaulicht dies für mich sehr treffend: „Die Werke zeigen, wie sehr der Betrachter die Bilder mitgestaltet. Dass die Wahrnehmung, die Erinnerung und der Blick gewissen Bedingungen unterliegen. Brauner will ihren künstlerischen Blick auf die eigene Wahrnehmung, und allgemeiner: auf diejenige eines Fremden nachvollziehbar machen. Ihre Bilder tragen durch die persönliche Ebene und den Zeitdimension-Bezug zur Dekonstruktion von Erinnerungsweisen bei.“

Ruth Brauner, 2014